10.06.2022
Moritz Benz

Unter Haien, Spekulanten und vermeintlichen neuen Wirecards – Wie kommunizieren, wenn die eigene Branche in Verruf gerät?

Baukraene

Viele Marktteilnehmer erinnert die gegenwärtige Kontroverse rund um ADLER Real Estate an alte Krisenzeiten: Ein angeschlagener Wirtschaftsprüfer, der dem vermeintlich großen Player das Testat verneint und eine Aktie im freien Fall, sprechen schließlich eine klare Sprache.

Die laufende ADLER-Krise habe laut einschlägigen Kommentaren etablierter Wirtschaftsmedien zudem das massive Imageproblem des deutschen Immobilienmarktes zusätzlich beschädigt. Doch statt sich glaubwürdig zu positionieren, finden Unternehmer, Manager und CEOs aus dem Immobiliensegment noch zu wenig statt –  und hinterlassen ein kommunikatives Vakuum. Ein Fehler. Denn nicht zuletzt belegen beispielsweise Zahlen des jährlich veröffentlichten Edelman Trust Barometer, dass sich bis zu 70% der Normalverbraucher klare Botschaften von Entscheidern wünschen. Die Frage, die sich aufdrängt: Worauf genau muss das Management im Immobiliensektor achten, wenn es um kommunikative Maßnahmen geht?

Stimmungslage der Branche: Themenfindung bleibt Seismograph einer funktionierenden PR

Generell gilt, dass die meisten Menschen ein großes Interesse an Immobilienthemen haben. Laut Angaben einer belastbaren Umfrage des Finanzunternehmens PROPVEST, können sich demnach unter bestimmten Voraussetzungen bis zu 80% der Probanden vorstellen, in Immobilien zu investieren. Warum also zögern? Das was abschreckt, sei der frappierende Mangel an Informationen. Zu wenige Experten äußern sich zu selten über die akuten Fragestellungen des Marktumfeldes. Dabei brennen potentiellen Käufern und Investoren stets allerhand Fragen unter den Nägeln.

Folglich können einzig diejenigen CEOs und Entscheider überzeugen, die in knappen Zeitfenstern, Studien, Umfragen und Analysen identifizieren, auswerten und dazu qualifiziert Stellung nehmen. Produktneutrale Markteinschätzungen bieten hier einen vielfach größeren Mehrwert für die gesamte Branche und zahlen erkennbar eher auf das Vertrauenskonto ein als umsatzgetriebenes Produkt-Marketing. Aggressive Kaufbotschaften ersetzen daher nicht das Tradieren von Expertise.

Die Zielgruppe kennen: Wie funktioniert die Ansprache von Käufern, Mietern und Verwaltern?

Dass die Inflation unser Geld verschlingt, nachhaltiges Bauen der Umwelt nutzt und steigende Kaufpreise sowie höhere Zinsen den Kauf von Immobilien erschweren, ist mehr oder weniger eine Binsenweisheit. Niemand sticht also kommunikativ hervor, der diese Trends einfach nur bestätigt. Um positiv aufzufallen, gilt es eine gute Balance zwischen zugespitzten Thesen und glaubwürdigen Inhalten zu finden. Warum ist es zum Beispiel sinnvoll, in Zeiten steigender Inflationswerte hohe Schulden für den Kauf einer Immobilie aufzunehmen? Weswegen hat der Faktor Lage als unschlagbares Proargument vielleicht bald ausgedient? Und weswegen müssen Prognosen zu stabilisierenden Kauf- und Mietpreisen Richtung 2024 in Zeiten gestörter Lieferketten mehr als nur angezweifelt werden? Dies alles sind einige von vielen Fragestellungen, mit denen sich erfolgreiche Experten detailliert auseinandersetzen. Nur wer in solchen Konstellationen valide, glaubwürdige, aber auch profilierende Aussagen tätigt, grenzt sich ab.

Krisen-PR: Was tun, wenn die öffentlichen Spannungen eskalieren?

Nur wie handeln, wenn die negative Berichterstattung im vollen Gange und die Krise wie in aktuellen Fallbeispielen unabwendbar ist? Gerät öffentliche Kritik komplett außer Kontrolle, hilft zuerst nur das gründliche Messen der Berichterstattung: Wer schreibt in welchen Kanälen mit welchen Botschaften über ein Unternehmen, das aktuell in Misskredit geraten ist? Beschweren sich einzelne Mieter über zu hohe Mieten oder erwartet die Betroffenen sogar eine Ermittlung wegen Bilanzproblemen, die bis hin an staatliche Institutionen gereicht wird? Wie viel Zeit bleibt insgesamt, um zu reagieren? Nur wer diese Fragestellungen verinnerlicht und Handlungen daraus ableitet, weiß was ihm vorgeworfen wird und wie die best-denkbarste Reaktion aussieht.

Überlebenswichtig: Keine Botschaften platzieren, die sich nicht ausschließlich mit den Inhalten der Anschuldigungen auseinandersetzen. Völlig falsch wäre es etwa, Pressemitteilungen, Gastbeiträge oder Interviews zu lancieren, die, sich statt mit der konkreten Krise mit vermeintlich guten Unternehmensnachrichten beschäftigen. Wer so handelt, heimst sich gleich die nächste Krise ein. Statt sich zu versuchen an der Krise vorbei zu manövrieren, gilt es vielmehr zuverlässige Ansprechpartner zu finden, die für vorsichtige Hintergrundgespräche in Frage kommen. Erst dann macht es wirklich Sinn, in die transparenten Klärungsgespräche zu gehen, in denen einzig abgestimmte, für ein Unternehmen repräsentative Inhalte kommuniziert werden.